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Verpackungsanlage für die Pharmazie

Für die Lieferung einer Verpackungs- und Palettieranlage für Wirkstoff in Glasflaschen erteilte Bayer-Schering Pharma, Berlin, einen Turnkey-Auftrag an Transnova-RUF. Die Besonderheit bestand darin, die relativ komplexe Anforderung mit einem Konzept zu lösen, welches neben den allgemeinen GMP-Anforderungen über kurze und einfache Formatumstellung verfügt.

Die Anforderung

Durch die Engineering-Abteilung von Schering Berlin wurde eine Spezifikation erstellt, mittels derer die Lieferfirmen um ihre Lösungskonzepte gebeten wurden. Das Packgut bestand aus Glasflaschen in Wirkstoff mit einem Inhalt von 50 – 250 ml, die Besonderheit stellte ein Hängelabel dar,  welches bis zur Bodenlinie der Flasche reichte und während des Einsetzens auf keinen Fall beschädigt werden durfte.

Für den Transport sollten die Flaschen in ein Boden- und Deckeltray aus Faserstoff und EPS eingesetzt werden. Ein Wraparound-Karton sollte das komplette Gebinde spielfrei zu einer sehr stabilen Versandverpackung umschließen.

In den Wraparound-Karton waren gefalzte Gebrauchsanleitungen einzulegen. Optional sollte das Einlegen von Outserts vorgesehen werden. Die Kartons sollten auf der Längs- und Stirnseite mit klartextbedruckten Etiketten versehen werden, die nochmals mit einem Schutzetikett vor Beschädigung zu schützen waren.

Die Kartons sollten für den weltweiten Versand auf EURO-Paletten palettiert werden.

Die Lösung:

Von Transnova-RUF wurde eine kombinierte Toploading/Sideloading-Lösung vorgeschlagen, die die beste Kosten/Nutzungsrelation darstellte und erhielt somit den Auftrag.

Das Kernelement in der Flaschengruppierung bilden vier von oben abgehängte 6-Achs-Roboter und ein mit zwei Servomotoren angetriebenes Transport-Taktband.

Das Boden- und das Deckeltray besteht aus EPS und Faserstoffmaterial. Die besondere Herausforderung war, eine Magazinfunktionalität zu finden, die beide relativ gegensätzlichen Materialeigenschaften verarbeiten konnte. Die Problematik bestand darin, die genesteten relativ ungenauen Faserstoffmaterialien zuverlässig zu separieren und in das Transport-Taktband einzusetzen. Neben entsprechender Vereinzelungsmechanismen konnte die Flexibilität der 6-Achs-Roboter genutzt werden, um eine schräg nach oben kippende Abzugsbewegung durchzuführen.

Der Magazinvorrat war mit 2 Stunden spezifiziert, dies entsprach bei einer Taktleistung von 22 Kartons pro Minute 4 m Länge. Um eine total unzugängliche Ergonomie zu vermeiden, wurden je zwei Magazine mit nur 2 m Länge konzipiert. Auch hierbei half der 6-Achs-Roboter, diese bessere Lösung zu ermöglichen.

Für das Einsetzen der Wirkstoff-Flaschen wurden 2 von oben abgehängte 6-Achs-Roboter eingesetzt. Im Gegensatz zu einer konventionellen Gassenrangierung, die nur sehr aufwendig formatumstellbar ist, wurde nur ein einreihiger Flaschenzulauf verwendet. Jeweils 10 Flaschen werden von den Robotern in Reihe aufgenommen und 2 x 5 in das Bodentray abgesetzt. Die Aufnahmewerkzeuge verfügen über eine Spreizbewegung. Durch das einreihige Einsetzen ist nicht nur die komplette Flaschengruppierung sehr einfach geworden, sondern es besteht sogar die Möglichkeit, beim Einsetzen eine leicht schräge Fügebewegung durchzuführen, um das Hängelabel gegen Beschädigungen zu schützen. Die Einsetzgenauigkeit beträgt ± 0,5 mm. Nach dem Einsetzen der Flaschen folgt eine Vollständigkeitskontrolle, und danach das Aufsetzen des Deckeltrays.

Das komplette Gebinde: Bodentray, 2 x 5 Flaschen und das Deckeltray werden jetzt in die Sideloading-Position gefördert.

Der Zahnriemen-Gebindetransport ist so ausgeführt, dass mit Hilfe der beiden Servomotore sofort die Formatverstellung wie auch eine Öffnungsbewegung bei jedem Takt durchgeführt wird, um das Einsetzen des Bodentrays zu ermöglichen. Der Transport findet in der geschlossenen Position statt, somit ist das Bodentray spielfrei „eingeklemmt“. Die Genauigkeit beträgt ± 0,4 mm.

Für die eigentliche Verpackung des Gebindes wurde der bewährte Unipacker V 230 eingesetzt. Aus einem Magazin, Vorratslänge 2.0 m, werden servomotorisch mittels Vakuumsaugerbrücke die Zuschnitte vereinzelt und in die erste Station der Taktkette U-förmig eingesetzt.

Nach dem servomotorischen Vorschub erfolgt in der zweiten Station der Einschub des kompletten Gebindes und das Einfalten der Innenlaschen. Die Applikation des Heißleims wird zwischen Station 2 und 3 durchgeführt. In Station 3 werden die Außenlaschen verschlossen und angepresst.

In Station 4 werden Gebrauchsanweisung und optional Outserts beigelegt. Da die komplette Anlage automatisch formatumstellbar ist, wurde auch hierfür ein 6-Achs-Roboter verwendet. Die GA`s werden von einem GUK-Falzautomat mit einer Leistung von 220 pro Minute mehrfach gefalzt und in ein Aufnahmefach gespendet. Sobald 10 GA`s portioniert sind, entnimmt der Roboter  mit einem Klemmwerkzeug sofort das komplette Paket. Somit ist gewährleistet, dass die komplette Taktzeit für den Spender- und Falzvorgang zur Verfügung steht, denn 220 GA`s pro Minute ist eine anspruchsvolle Leistung.

Der 6-Achs-Roboter legt jetzt die GA`s auf das Deckeltray derart ab, dass mittels Einfaltung der „Staublasche“  das komplette Paket eingeklemmt wird. Somit wird eine sichere Übergabe erreicht. Nachdem der Klemmgreifer aus dem Karton gefahren ist, wird der komplette Wraparound-Deckel geschlossen.

Der 6-Achs-Roboter erhält bei Formatauswahl automatisch seine Ablagekoordinaten, und der GUK-Automat wurde erstmalig mit motorisch verstellbaren Falzlaschen ausgeführt. Somit ist keinerlei manuelle Formatumstellung notwendig.

Die Applikation des Heißleims für die Industrielasche erfolgt in Station 5 und danach sofort die Anpressung der Industrielasche. Der Karton wird vermessen, auf offene Laschen geprüft und anschließend als 1.0 bzw. Nicht-I/O aus dem Unipacker transportiert und einem PAGO-Etikettier-automaten für Längs- und Stirnseiten-Etikettierung zugeführt.

Die Aufgabenstellung besteht darin, einen Versandkarton auf zwei Seiten, einmal auf der Seitenfläche und einmal auf der Stirnfläche zu kennzeichnen. Dabei sollen ein Versandetikett mit zusätzlichem Schutzetikett und ein Produktetikett mit zusätzlichem Schutzetikett appliziert werden.

Das Versandetikett wird mittels OpenDate-Thermotransfer-Drucker komplett bedruckt. Auf der Spendeeinrichtung des Etikettierautomaten Pagomat 6/2 wird das Etikett mittels Kamera gelesen und geprüft.
Nicht richtige Etiketten werden auf eine LSO-Einheit (label sortout unit = Etikettierentfernungsstation) aussortiert. Nach Aufbringen auf den Karton wird der Sitz des Etikettes mittels Kamera verifiziert. Danach wird in einer zweiten Etikettierstation ein Schutzetikett aufgebracht. Auch dessen Anwesenheit wird kontrolliert. Im Anschluß ist eine Auswurfstation aufgebaut.

Es erfolgt im Anschluß ein Abschieben des Kartons (pneumatisch) um 90°. In der dritten Etikettierstation werden Etiketten mit Barcodes mittels Thermotransferdrucker OpenDate bedruckt. Auf der Spendezunge des Etikettierautomaten Pagomat 6/2 werden diese Barcodes mit einem Scanner verifiziert. Bei Nicht-I/O werden die Etiketten auf eine baugleiche LSO-Einheit (wie oben beschrieben) aufgespendet. Nach Aufbringen der Etiketten auf den Karton werden der Sitz des Etikettes und damit die Anwesenheit verifiziert. Im Anschluss erfolgt die Etikettierung mittels Schutzetikett.

Die Anlagensteuerung und vor allem der Auditrail wird mittels Pharma Management Center PMC der PAGO realisiert. Die Basis dieser Einheit bildet ein Siemens Industrie-PC, über den die Steuerung der
Anlage, der Auditrails, das Datenmanagement der Drucker sowie der Kamerakontrollen abgewickelt werden.

Verschiedene Passwortebenen können frei zugeteilt werden. Die Eingabe der Kamera- und Drucker-daten erfolgt zentral. Im Hintergrund sorgt eine Datenbank für die richtige Zuordnung der Daten. Bedienerfreundlichkeit trotz sehr hoher Sicherheitsanforderungen der Pharmazie sind gewährleistet. Die Gesamtanlage entspricht den Richtlinien CFR21 Part 11.

Der jetzt komplett gepackte, verschlossene und etikettierte I/O-Karton wird über  eine Staurollenbahn dem Palettierer zugeführt.

Eine Puffer-Palettenrollenbahn verfügt über manuell aufgesetzt Leerpalettenstapel. Diese werden automatisch in ein Palettenmagazin transportiert, welches die Vereinzelung der Paletten vornimmt.
Auf dem Palettierplatz angekommen wird die Leerpalette zunächst positionsgenau zentriert, um eine genaue Beladung zu gewährleisten.

Die Kartons werden in der Kartonrangierung ein- bzw. dreifach vorgruppiert, mittels Klemmgreifer aufgenommen und formatabhängig auf der Palette abgesetzt. Zwischenzeitlich wird durch das Kombinationswerkzeug eine Wellpappzwischenlage eingelegt. Die volle Palette verlässt über eine Muting-Sicherheitslichtschranke die Robotzelle ohne den Palettiervorgang zu unterbrechen.

Weitere Besonderheiten des Anlagenkonzeptes:

:: Automatische Formatumstellung

Da das Wirkstoffprodukt kurze Chargenzeiten erfordert, wurde für eine automatische Formatumstellung
plädiert. Neben den bereits mehrfach zitierten 6-Achs-Roboter wurden alle Umstellbewegungen mit  Servo- bzw. Stellmotoren versehen. Ein Novum ist der selbständige vollautomatische Werkzeugwechsel der Roboter. Die Werkzeuge sind in Reichweite der Roboter innerhalb der Anlage in einem Magazin gelagert. Über einen Zentralrechner wird die Chargenvorwahl durchgeführt. Danach werden die Werkzeuge gewechselt, die komplette Anlage über eine Rezeptur parametriert und alle neuen Positionen angefahren.

Der Palettierroboter ist mit einem Softwaretool mit Namen SIMPLOÒ ausgerüstet.

Das SIMPLOÒ ermöglicht dem Anwender, ohne besondere Ausbildung jedes beliebige Palettenschemata innerhalb 2 Minuten zu programmieren. Die Windows-basierte Oberfläche führt den Anwender nach Multiple Choice Methode durch das Programm. Ebenso werden auch der GUK-Automat wie auch die PAGO-Etikettieranlage über den Zentralrechner parametriert. Die Formatumstellung wurde somit von ca. 2 Stunden auf 10 Minuten reduziert.

:: Pufferfunktionalität
Aufgrund der Freiheitsgrade der 6-Achs-Roboter wurde noch während der Projektphase die Idee eines Puffers geboren. Rückseitig zu den beiden Flascheneinsetz-Robotern ist ein FlatTop Belt mit den Abmessungen Breite = 1.800, Länge 5.000 mm installiert. Die beiden Roboter können dieses Pufferband reihenweise be- bzw. entladen. Dies bedeutet bei Anlagenstillstand des vorgelagerten Anlagenteils wird der Puffer beladen, bei Anlagenstillstand des nachgelagerten Anlagenteils wird der Puffer entladen. Die komplette Pufferzeit beträgt 20 Minuten und dank der vorhandenen Robot-Funktionalität wurde hierfür nur ein Kostenbudget von € 18.000 benötigt.

:: Lärmpegel kleiner = 73 dbA.

Eine „Flüstertonmaschine“ zu konstruieren stellt besonders bei einem Packmittel wie Glasflaschen eine besondere Herausforderung dar. Im wesentlichen wurde die Anforderung durch eine spaltfreie Konstruktion der Acrylglas-Schutzeinhausung und durch die komplette Abdeckung der Anlagenober-fläche erreicht.

:: OEE-Kennzahlenerfassung

Um die Wirtschaftlichkeit eines Anlageninvestments permanent zu optimieren, ist die OEE-Kennzahl notwendig (Overall Equipment Effectiveness). Hierbei wurde die komplette verfügbare Maschinen-laufzeit zur Qualitätslaufzeit in Relation gesetzt. Die Qualitätslaufzeit ist ein nur erreichbarer Wert, der die Relation der Qualitätspackmittel zu den Ausschusspackmittel berücksichtigt, d.h. für eine gute OEE-Kennzahl machen sich geringe Umstellzeiten, Wartungszeiten, Stopzeiten, Ausschusszeiten etc. bemerkbar.

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